Liebe Kunden, liebe Freunde
Wieder einmal habe ich es nicht geschafft, den Kundenbrief vor der Schlachtung zu schreiben, aber noch ist nichts zu spät und schnell Entschlossene können sogar heute, bzw. bis morgen früh 2 Uhr noch Fleisch für die Marktschwärmereien in Berlin am Mittwoch bestellen. Nächste Woche geht natürlich auch noch, danach wird das Fleisch eingefroren. Im Hofladen bekommt man das Fleisch natürlich immer, allerdings ist für die eher knappen Teile Vorbestellung sinnvoll. Die Lieferung über eine Marktschwärmerei ist zurzeit die einzige Möglichkeit, Fleisch nach Berlin oder Bernau zu bekommen. Wir beliefern Schwärmereien in Oberschöneweide, Nordbahnhof, Kastanienallee und Diderot (Prenzlauer Berg), Bernau und Eberswalde..
Die Sommerarbeit hat uns wieder voll im Griff und ganz besonders spüren wir im Kleinen gerade den Klimawandel, der durch Trockenheiten und Starkwetterereignisse charakterisiert wird. Nach wochen-bzw. monatelanger Trockenheit (im Aprilhatten wir gar keinen Regen), die das Keimen und Wachsen der Pflanzen sehr erschwert hat, hat uns vorgestern das Unwetter voll erwischt. 60l Regen fielen in wenigen Stunden und brachten hier nicht nur das Fass zum Überlaufen. Zunächst stand der Stall unter Wasser, so dass wir die Schafe nachts nicht rein holen konnten, sondern uns damit vergnügten, das Wasser in Wannen zu schippen und aus dem Stall zu tragen. Es waren sehr, sehr viele Wannen…Ulli, unser Sohn Martin und unser Lehrling Simon packten nach Feierabend mit an, so dass wir die Überschwemmung eigentlich gut in den Griff bekamen und vermeinten, das Unwetter glimpflich überstanden zu haben. Weil in dem üblichen samstäglichen Café- und Hofladentrubel und dem unüblichen Regen der 17. Geburtstag unserer Tochter Tutti (Jutta) mal wieder etwas untergegangen war, fuhr ich noch ins Nachbardorf, um Zutaten für eine schöne Erdbeertorte zu holen (nein, natürlich keine Erdbeeren, bessere als die eigenen gibt es nirgends…). Schon auf dem Hinweg wurde ich vom nächsten Starkregen erwischt und als ich mich dann aus dem Auto in die Kaufhalle retten konnte, erreichte mich Matins Notruf vom Hof- Zum Glück hatte ich ausnahmsweise mein erstes von den Kindern zu Weihnachten für solche Situationen geschenktes Handy dabei und fand erstaunlicherweise die richtigen Tasten (meistens brauche ich dazu noch Unterstützung von den Kindern). Tutti, die Unwetter und Starkregen an diesem Tag als persönliches kosmisches Geburtstagsgeschenk empfand und freudig über alle Felder hüpfte, wollte mal nach unserem Folienhaus sehen und fand ein Großraumaquarium vor. Die Mitarbeiter waren zunächst wenig motiviert, nach dem anstrengenden und langen Arbeitstag noch eine anstrengende Rettungsaktion zu starten (zum Glück wussten sie auch nicht, was Ihnen bevorstehen sollte) und beschlossen, erst mal die Bäuerin anzurufen. Auch ich war zunächst wenig alarmiert und versuchte zu beruhigen. Die Tomaten stehen ja auf Dämmen und wenn da zwischen den Dämmen ein wenig Wasser steht, dann ist das für die Pflanzen schon zu verkraften. „Mama, da steht kein Wasser zwischen den Dämmen, da sind überhaupt keine Dämme mehr zu sehen und vorne auch keine Tomaten mehr!“ Da war mir der Ernst der Lage natürlich sofort klar. Tomaten über Stunden im Wasser – das ist nicht ihr Biotop, sondern der Bio-Tod. Also Anweisung: sofort einen Durchstich durch die Ackerböschung ins tiefer gelegene Bruch machen, damit das Wasser ablaufen kann. Ich komme. Das war leichter gesagt als getan, denn die noch vor einer halben Stunde völlig normal wirkende Straße hatte sich in einen Wildbach verwandelt und als ich der Meinung war, durch eine Pfütze zu fahren, verwandelte sich das doch schell in das Gefühl, in einer Badewanne zu schwimmen und ich war froh, dass das Auto fahrbereit blieb und ich nicht Wasser statt diesel tanken musste. An der nächsten "Pfütze“ standen schon verzweifelt winkende Camper des tiefer gelegenen Campingplatzes, die mit jedem die Wassermassen aus der Pfütze drückenden Auto ihre Zelte weiter davon schwimmen sahen.
Glücklich zuhause angekommen erwartete mich dann ein in jeder Hinsicht überwältigendes Bild. 10 junge Menschen - Mitarbeiter und Familie (Ulli schlief bereits) – hatten es schon geschafft, zwei große Durchstiche durch eine normalerweise unüberwindliche über Jahrhunderte gewachsene Böschung aus Feldsteinen und Erde zu graben und ich stand in brausendem Getöse vor den Pehlitzer Niagarafällen. Überall wurden weitere Kanäle gezogen, um das Wasser schnell abzuleiten und bald kam der Lehrling auf die Idee, um den Abfluss aus dem Folienhaus zu beschleunigen, noch die Pumpe aus dem See zu holen. Denn wir haben inzwischen Solarstrom in unserem Garten! Es dauerte noch Stunden und mehrere Schachtgrabungen für die Pumpe, aber um Mitternacht war der Garten weitgehend trocken gelegt. Tutti fand, das war ihr schönster Geburtstag…
Ich kann mir tatsächlich Schöneres vorstellen und die Schäden sind noch nicht absehbar – werden es die Tomaten überleben? Aber das ist natürlich auch nicht das, was sie als schön empfand, sondern die Gemeinschaft der helfenden Menschen, die sich da zusammen gefunden haben und neben der Katastrophe auch extrem viel Spaß hatten.
Das war auch das Besondere des vergangenen halben Jahres: In der Krise (Corona, die auch für uns wirtschaftlich eine echte Krise war ohne unsere Stammkunden, die Camper. die Studenten, das Café) tauchten auf einmal von überall Menschen auf, die einfach helfen wollten – gegen Kost und Logis über die Hochschule oder als WWOOfer oder einfach vorbei kamen und mit anpackten.
Es war auch eine tolle Geste der Hochschule in Eberswalde, zu sagen: Die jährlichen Projekte mit den Partnerbetrieben müssen ausfallen, aber lasst mal Projekt Projekt sein und geht einfach auf die Höfe und helft da, wo es notwendig ist. Und so kamen viele von den Studenten über kürzer oder länger – allen voran Anton und Nils, bei denen sich das ursprüngliche Projekt – die Fertigstellung unserer solarbetriebenen Wasserversorgung im Garten mit der Mitarbeit auf dem Hof ergänzte. Und mit Hilfe des neu gewonnenen Stroms im Garten konnten wir die Rettungsaktion durch die Tauchpumpe erst vollständig durchführen!
Außerdem sparen wir auch sehr viel Zeit bei der Wasserversorgung der Tiere und haben die Möglichkeit, ein neues Bewässerungssystem mit der Tröpfchenbewässerung zu entwickeln. Fertig sind wir nie. Aber was für ein Luxus: einfach den Schalter umlegen und das Wasser läuft. Strom und Wasser zu haben: keine Selbstverständlichkeit auf dieser Welt und das alles aus Sonnenenergie – wir wissen es zu schätzen!
Auch bei den Waldorfschulen gibt es einzelne besonders engagierte Geschäftsführer, die sich durch behördliche Einschränkungen nicht haben entmutigen lassen und es geschafft haben, dass die Schüler mit behördlicher Genehmigung ihr Landwirtschaftspraktikum trotz Corona durchführen konnten. Bei uns war das die Dresdener Waldorfschule, die nacheinander 3 ganz tolle Schülerinnen geschickt hat, die uns sehr unterstützt haben.
Außerdem haben wir das WWOOFen für unseren Hof entdeckt und gerade in Corona-Zeiten kamen Menschen von nah und fern, um der Enge, Isolation und Untätigkeit in den Städten zu entfliehen und uns zu unterstützen.
Danke an alle, die sich auf unserem Hof einbringen und uns bei unseren Aufgaben helfen. Solch ein kleiner und vielseitiger Hof wie unserer wäre ohne diese helfenden Menschen nicht möglich!
Aber jetzt zum Anlass dieses Rundbriefs: der Schlachtung. Dieses Mal sind es ein Jungbulle, fleischig und saftig, ein Angler-Sattelschwein in Rekordgröße, 6 diesjährige knackige Bocklämmer und zwei Altschafe, die lang gedient jetzt den Weg in die ewigen Jagdgründe gegangen sind und die Grundlage liefern für unsere leckere Salami.
Ab sofort kann das Fleisch mit oder ohne Bestellung im Hofladen abgeholt werden.
Für Berlin gehen die Bestellungen über marktschwaermer.de und für euch nächst gelegene Schwärmerei bzw. über die Marktschwärmerei in Bernau
Also: Bestellt bald, solange der Vorrat reicht und genießt den Sommer !
Ulli und Martina aus dem Schwalbennest
Hier die Vielfalt unserer Helfer, exemplarisch für viele Arbeitstage auf dem Hof (von links):
Marina (32) aus Frankreich mit Marvin (14- nicht im Bild) von der Jugendhilfe, die beide ein paar Tage bei uns gezeltet haben
Lena (24), unsere Gärtnerin mit ihrem besuchsmäßig anwesenden Freund Keno (24), angehender Krankenpfleger
Alexanra (19), WOOFFerin, die als angehende Maschinenbaustudentin erst mal richtige Arbeit in der Landwirtschaft sucht
Leonore (15), Waldorfschülerin aus Dresden, die mehr und qualifizierter arbeitet als mancher Erwachsene
Jutta (jetzt 17), das Geburtstagskind, die sich als Hofnachfolgerin qualifizierte, indem sie darauf bestand, das Folienhaus sofort und auch unter widrigsten Umständen zu retten
Ruth-Elisabeth (18), die am Tag zuvor ihre Abifeier hatte und als engagierteste Schülerin ausgezeichnet wurde. Für das Hofleben hätte sie diese Auszeichnung nicht bekommen – aber man kann ja nicht alles machen und in Notfällen ist sie natürlich mit an Deck
Simon (21), unser Lehrling, der mit Martin zusammen die ganze Aktion maßgeblich leitet und mich dann nachts im Dunkeln nach Hause schickte mit den Worten: „Ich mach das hier jetzt alleine fertig, du hast genug zu tun“
Und last not least Martin (24, als Fotograf nicht im Bild), unser Sohn, tagsüber als Mechatroniker im Service für Windkraftanlsgen tätig und am Wochenende und nach Feierabend immer in Arbeit auf dem Hof und entschlossen, doch wieder zur Landwirtschaft zurückzukehren und den Hof später zu übernehm